Deutschland und der Jugendschutz – ein Rant!

Vor einiger Zeit ist es wieder mal durch zahlreiche Online-Medien gegangen: das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Einschätzung der Landesanstalt für Medien NRW bestätigt, daß die frei zugänglichen Porno-Angebote von Anbietern mit Sitz in Zypern (angeblich handelt es sich um PornHub, YouPorn und MyDirtyHobby) eine Altersverifikation einbauen müssen oder riskieren, in Deutschland gesperrt zu werden.

https://www.heise.de/news/Verstoss-gegen-Jugendschutz-Porno-Portalen-droht-Sperrung-in-Deutschland-6281787.html

https://www.golem.de/news/pornhub-youporn-mydirtyhobby-gericht-bestaetigt-zugangsverbot-fuer-pornoportale-2112-161500.html

Nun ist es zweifellos richtig und sinnvoll, Minderjährige vor dem Kontakt mit harter Pornografie so gut wie möglich zu schützen, das wird wohl niemand ernsthaft bestreiten. Das Problem ist allerdings beinahe so alt wie das Internet selbst, entsprechende Diskussionen flammen mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder auf, seit Telefon-Dialer der bevorzugte Zugang zum Porno-Netz waren.

Das sind mittlerweile schon einige Jahrzehnte, in denen die verantwortlichen Stellen Zeit gehabt hätten, sich mit den Browser- und Betriebssystemherstellern (Google, Apple, Microsoft,…) und/oder den entsprechenden technischen Gremien (W3C, WhatWG, IETF,…) zusammenzusetzen, um eine vernünftige technische Lösung zu finden, die auf der einen Seite den Datenschutz wahrt und auf der anderen Seite dem erwachsenen Pornokonsumenten keine unnötigen (finanziellen) Hindernisse in den Weg legt.

Stattdessen wurde an halbgaren „Lösungen“ herumgebastelt wie externen Programmen, die jeder halbwegs technikaffine Teenager mit Leichtigkeit umgehen kann, oder an Labeling-Systemen wie „age-de.xml“, die außerhalb Deutschlands kaum praktische Bedeutung haben.

Dabei wäre es meiner Meinung nach relativ einfach, z.B. einen HTTP-Header zu standardisieren, mit dem ein Webserver die Alters-Zielgruppe eines Dokuments (das kann eine ganze Seite sein oder auch nur ein einzelnes Bild, Video oder Textdatei) festlegen kann – der Webbrowser könnte dann z.B. auf Benutzerinformationen zugreifen, die im Betriebssystem gespeichert sind, oder auf einen externen „Identity Provider“ zurückgreifen, bevor er den entsprechenden Inhalt herunterlädt und anzeigt.

Es wäre sogar denkbar, daß ein solcher Header weiterführende Informationen über den Inhalt liefert, statt nur zu signalisieren, „Hey, dieses Dokument ist nur für Erwachsene“, z.B. ob es sich einfach nur um Nacktheit oder explizite sexuelle Darstellungen. Es gab mit ICRA (Internet Content Rating Association) sogar bereits ein gut durchdachtes System, das sich leider (warum auch immer) nicht durchgesetzt hat und mittlerweile eingestellt wurde.

Möglich wäre auch, einen ähnlichen Ansatz zu verwenden, wie er bisher bereits für die Anmeldung bei passwortgeschützten Webseiten verwendet wird: der Webserver signalisiert mit einem Header, daß der gewünschte Inhalt nur für Erwachsene zugänglich ist, und der Webbrowser schickt bei allen folgenden Anfragen ein entsprechendes „Token“ mit, das den Benutzer als Erwachsenen identifiziert.

Bei beiden Ansätzen würden keine Informationen das Gerät des Benutzers verlassen, die dessen Identität gegenüber dem Betreiber der Webseite oder App preisgeben, sondern lediglich die Information „der aktuelle Nutzer ist erwachsen“. Diese Information könnte z.B. aus einer auf dem Smartphone hinterlegten elektronischen ID kommen.

Bei der Frequenz, mit der die gängigen Webbrowser sowohl auf Desktop- als auch auf Mobilgeräten aktualisiert werden, wäre ein derartiger Mechanismus binnen weniger Monate bei einem sehr großen Teil der Konsumenten installiert, und die entsprechenden Anpassungen könnten während dieser Zeit bereits von den Porno-Anbietern in ihre Webseiten und Apps eingebaut werden.

Doch obwohl der Jugendschutz im Internet eine Angelegenheit ist, die über die Grenzen Deutschlands oder jedes beliebigen anderen Landes hinausgeht, scheint sowohl in Deutschland als auch in der EU der politische Wille für eine länderübergreifende technische Lösung zu fehlen, die nicht nur dem Jugendschutz dient, sondern auch die Interessen der User und der Anbieter in einer fairen Weise berücksichtigt.

Wie wählen Wixer?

Diesen Herbst stehen sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Österreich Wahlen an. In Deutschland die Bundestagswahl und die Landtagswahl in Hessen am 22.9.2013, in Österreich eine Woche später (am 29.9.) die Wahl zum Nationalrat.

Normalerweise versuche ich, diese Seite so weit wie möglich unpolitisch zu halten – schließlich sind die meisten von uns wohl hier um Spaß zu haben! Doch schon die Existenz von Seiten wie dieser ist vielen vor allem konservativen Politikern ein Dorn im Auge. Nach dem Vorstoß der britischen Regierung zur Einführung von Zwangs-Pornofiltern gibt es auch in Deutschland von Seiten der CSU und Österreich seitens der sogenannten „Volkspartei“ derartige Überlegungen. Daß so ein Filter früher oder später auch gegen andere mißliebige Inhalte eingesetzt werden wird, sollte jedem klar sein, der sich in den letzten Jahren auch nur ein bißchen mit Netzpolitik auseinandergesetzt hat.

Auch bezüglich der Folgen der systematischen und großflächigen Bespitzelung durch die amerikanische NSA und andere ausländische und inländische Geheim- und Nachrichtendienste sind sowohl die Regierungen unserer beiden Länder als auch die großen Internet- und eMailanbieter bisher zufriedenstellende Antworten weitgehend schuldig geblieben.

Ich werde mich nun nicht hinstellen und eine Wahlempfehlung etwa für die Grünen oder die Piratenpartei abgeben. Aber ich appelliere an jeden der das hier liest, sich damit auseinanderzusetzen, welche Politiker und welche Parteien sich wirklich für einen vernünftigen Datenschutz einsetzen, wer für und wer gegen Vorratsdatenspeicherung ist (oder wie auch immer das gerade euphemistisch genannt wird), wer zu der massenhaften Beschnüffelung der Bürger klare Worte findet und wer nur herumeiert. Schaut euch nicht nur die Parteiprogramme und Wahlkampfslogans an, sondern informiert euch, welche Regierungskonstellationen welche Gesetze beschlossen, welche Forderungen gestellt haben. Lest Nachrichten, egal ob online oder auf Papier gedruckt (aber bitte nicht nur die „Bild“ bzw. die „Krone“), informiert euch auf unabhängigen Blogs zu Netzpolitik und Gesetzen.

Vor allem aber: geht wählen! Eine einzelne Stimme zählt vielleicht nicht viel, aber wer nur zu Hause sitzt, verschenkt selbst diese winzige Möglichkeit der Einflußnahme!